Ein Generationenschatz.

Als wir neulich aus Südafrika zurückkamen packte mich noch im Flugzeug beim Anblick von schneebedeckten Feldern die Mama-Panik: Mein Kind hat keine Wintersachen!
Es kamen beim Anblick der weißen Pracht aber auch andere Gefühle in mir auf, Ergriffenheit nennt man das vielleicht. Oder Ehrfurcht. Ich war jedenfalls gerührt. Der erste Schnee bringt so einen Zauber. Grund genug wieder in die Heimat zu reisen. Ohne Winter würde mir doch was fehlen.

Jedenfalls durchsuchte ich in unserer Not dann erstmal die Klamotten-die-noch-zu-groß-sind-Kiste. Unser Mädchen ist ja während der Reise ohnehin gediehen. Und siehe da, ein wollig warmer Pullover kam zum Vorschein. Genau was wir brauchten. Aber es ist nicht irgendein Pullover. Es ist einer der Pullover, die meine Mama für ihr erstes Kind gestrickt hat. Der Bruder, den ich nie kennenlernen durfte. Nach ihm wärmte das Pullöverchen meine Geschwister und mich, dann meine Neffen und diesen Winter hüllt es nun unser Mädchen ein. Es wärmt bei unseren Spaziergängen aber nicht nur die kleine Abenteurerin, es wärmt auch mein Herz. Denn wenn wir so durch den Auwald schlendern und meine Gedanken wandern, dann wandern sie manchmal zu dieser jungen Frau mit ihrem ersten Sohn. In welchen Momenten sie wohl daran gestrickt hat? Saß sie auf dem Sofa, oder nah am Kamin. Brauchte sie dringend etwas Warmes für den Jungen oder strickte sie weil es ihr gut tat? Wie war sie wohl so, meine Mama, damals, als sie so jung war - jünger als ich heute. Hatte sie schon gehofft dass noch kleine Geschwisterchen ihn tragen würden. Und wirklich, träumte sie schon davon dass er eines Tages ihren Enkelkindern übergezogen wird? Was strickte sie hinein in den Pullover. Maschen mit viel Liebe, oder guten Wünschen?

Maschen sind für so viel mehr gut, als um ein Gestrick zu bilden! Sie halten. Sie verbinden. Verflechten Vergangenheit mit Gegenwart. Verknüpfen die alte Generation mit der neuen.

Es macht mir Spaß wild herumzuinterpretieren. Zu träumen und zu rätseln, was in den Maschen wohl steckt. Ich könnte meine Mama fragen. Aber ich traue mich gar nicht. Es ist zu idyllisch in meiner Fantasie. Und freut mich jedes Mal wenn wir rausgehen. Und als meine Schwester das eingehüllte Mädchen sah fiel ihr sofort auf: "Das ist der Pullover!". Ja. Wenn ich für mein Mädchen stricke dann stricke ich nur für sie. Ich will dass ihr kleiner Körper warm bleibt. Und freue mich, dass ich etwas passendes schaffen kann. Stricken ist für mich Meditation. Seelenbalsam. In die Maschen stricke ich viel Liebe, viele gute Gedanken. Und ab und zu, ganz heimlich frage ich mich, ob noch ein Kind kommt. Vielleicht ein Enkelkind. Wenn auch nur eins meiner Werke ein solcher Familienschatz werden würde... vielleicht...