Meine Schwester hat mich zur Tante gemacht. Zehn Jahre ist das jetzt
her (Die Zeit, die Zeit! will ich rufen. Mach ich aber nicht. Sie
rast ohnehin unbeirrt weiter.). Zuerst konnte ich ja mit dieserHeiraterei und Babykriegerei nix anfangen. Und der kleine
Schreihals. Was war ausser Spazierenschieben mit ihm zu tun? (Und
selbst das konnte ich nicht gut. "Wo wart ihr so lange?" oder "Warum
bist Du nicht zurück als es zu regnen begann?") Als dann noch ein
zweiter Schreihals kam wechselte der ältere Neffe zum Sprechen. Und
hat mich rumgekriegt! Meine Begeisterung war geweckt. Die schlausten
Dinge erklärte mir der kleine Fratz und liess mich staunen über
diese klare Sicht eines Kindes auf die Welt. Da erkannte ich auch
meine Aufgabe! Ich wollte die Tante sein die ihm die Natur
näherbringt (heute weiß ich dass man das gar nicht machen muss mit
Kindern, sie sind da näher dran als man sich denken kann. Heute weiß
ich auch vieles anderes mehr). Ich wollte ihn begeistern für die
Natur. Ich wollte die Tante sein zu der man jederzeit kommen darf.
Mit der man was erleben kann! Nur, wie macht man das mit so einem
kleinen Bengel (ich war unbeholfen).
Einmal kaufte ich mir ein kleines Zelt für mich und als ich es zu
Probe aufbaute war er dabei. Und erkannte sofort: "Das ist unsere
Räuberhöhle!". Ja! Das ist es. Schnell fanden wir unsere Jagdgewehre
und zogen los die wertvollsten Schätze zu finden. Ich war zufrieden
mit meiner Aufgabe.
Immer wieder, immer weiter, zog aber auch ich los. Rückblickend
erkenne ich nun, dass einzig die beiden Lausejungs mich immer wieder
in die Heimat gelockt haben. Sicher waren auch Familie und Freunde
da, aber ich wusste, die würden immer da sein. Immer die alten
bleiben. Aber die Neffen, die wollten ja ununterbrochen wachsen und
groß werden. Sie sollten doch ihre Tante kennen und nicht vergessen
und sie fehlten mir oft. Und tun das noch immer. Sie wachsen auch
noch immer.
Zwischendrin dachte ich, dass ich gescheitert sei in meiner
selbstauferlegten Tanten-Aufgabe. Bin ich nicht. Auch in der Ferne
kann man eine gute Tante sein. Und bei seltenen Treffen besonders
punkten. Spaß haben, da sein. Zuhören und begeistern. Und begeistern
lassen.
Und obendrauf mit Geburstagsgeschenken besondere Zeichen setzten.
Nur, was schenkt man Kindern die alles zu haben scheinen (ausser
Laptop, neues Fahrrad und anderen hochpreisigen Wünschen)? Und
spezial besonders tantiges? Socken, dachte ich mir beim siebten
Geburstag. Sicher langweilig, noch dazu selbstgestrickt, total
uncool. Aber trotzdem sollten es Socken sein, in jede Masche
Zauberformeln und gute Tantenwünsche gewebt.
Sie sollen ihm mir wichtige Werte zeigen. Vorbildhaft in Geduld und der Freude
am Selbermachen. "Mach das, was Dir gefällt!" will ich ihm dadurch
sagen, dass ich es auch so mache.
Und: Ich lag ganz falsch! Hochgelobt wurden die Tantensocken. Und gerne getragen. Oft. Was für ein Lob und eine Freude für's Strickerinnenherz.
Dieses Jahr zum runden Fest gibt es ein schlichtes Paar in fast
meiner Größe. Irre. Zehn Jahre.